Eine Silvesterfeier

Es war das erste Mal, dass wir Silvester in einer Gaststätte gefeiert haben, die wir sonst als Restaurant schätzen. Das alte Gewölbe des Ratskellers hat Charakter, das Personal ist sehr freundlich und das Essen schmeckt gut. Die Tischreservierung verlief reibungslos, und der Tisch war frei und zur Seite hin positioniert, so dass die Leute vorbeilaufen konnten, ohne uns zu tangieren. Der Empfang war herzlich und wir setzten uns in freudiger Erwartung.

Wir plauderten über Freunde, Nachbarn, die Nachrichten, die Arbeit, unseren Hochzeitstag, der gerade vorbei war, und es wurden Bilder ausgetauscht, bewundert, Vergleiche angestellt und alle kamen in fröhliche Stimmung. Die Kneipe füllte sich, die Kellnerin kam schnell zu uns und bald hatten wir alle ein Glas Lausitzer Kirsch Porter in der Hand und stießen an. Wir waren etwas zu früh gekommen, da wir nicht genau wussten, was uns erwartete, und hatten bereits zwei Gläser geleert, als wir feststellten, dass es nicht gut ist, auf leeren Magen zu trinken, aber kurz nachdem wir nachgefragt hatten, wurde das Buffet eröffnet und die Gäste strömten dahin, so dass wir uns die Mühe ersparten, sofort aufzustehen, da die Schlange bereits an unserem Tisch stand. Als wir schließlich am Buffet ankamen, waren alle Speisen noch da und versprachen ein Festmahl zu werden, was sich dann auch am Tisch bestätigte, als wir aßen. Nach und nach wurden die Frauen abenteuerlustig und bestellten einen Cocktail, Jörg und ich blieben beim Bier, und wir lauschten der Ansprache der Besitzer, um an den richtigen Stellen zu klatschten.

Dann legte der DJ los und die Tische fingen an zu vibrieren zu bekannte Deutsche Schlager, die nicht meine Musik darstellen aber zumindest die Laune der Gäste angehoben hat. Das Problem entwickelte sich allmählich, denn ich bin sehr empfindlich mit lauten Geräuschen, kann mich in der Regel arrangieren mit Musik. In diesem Fall jedoch, verzerrten sich die Töne und der Bass nahm ständig zu, so wie der allgemeinen Lautstärke, so dass ich anfing Beklemmungen zu bekommen. Der ständige Takt des Schlagzeugs kam mir zunehmend vor wie Schläge auf meinen Körper, die mir die Freude allmählich nahm. Es gab auch kaum Pausen von dem Dröhnen der Bässe, und das Gebrüll des DJs, der meinte singen zu können, der sich noch verstärkte mit dem Mikrofon. Selbst bekannte Lieder machten mir keine Freude mehr und als es zu viel wurde, flüchtete ich nach draußen, um meine Ohren eine Pause zu geben.

Meine Frau und meine Freunde sahen mich mit einem besorgten Blick an, als ich ging, und meine Frau kam mir nach, nachdem sie mich entschuldigt hatte. Wir standen im lauen Wind und sahen uns Jugendlichen zu, die nicht bis Mitternacht warten konnten und bereits Feuerwerkskörper in die Luft schossen. Als es uns beim Zuschauen etwas kühl wurde, gingen wir wieder hinein, aber das Gebrüll und Gedröhne kam uns an der Tür entgegen. Die Kellnerin schaute etwas irritiert, als ich ein weiteres Bier ablehnte, und nach einer Weile war klar, dass ich die zwei Stunden bis Mitternacht nicht durchhalten würde. Wir verabschiedeten uns von unseren Freunden und ließen uns entschuldigen, bezahlten den Bierdeckel und gingen nach Hause.

Auf dem Weg dorthin verriet mir meine Frau, dass sie die Musik noch in den Ohren habe und auch froh sei, nicht mehr warten zu müssen. Überall war der Himmel bereits sporadisch mit Feuerwerkskörpern beleuchtet, was uns erahnen ließ, was uns erwartet hätte, wenn wir bis Mitternacht gewartet hätten und dann zu Fuß nach Hause gegangen wären. Als wir kaum zwanzig Minuten später zu Hause ankamen, herrschte Stille im Haus. Die Nachbarn waren alle ausgeflogen, besuchten Familienmitglieder oder waren anderweitig auf einer Feier. Wir saßen noch einen Moment da und beobachteten das Treiben am Brandenburger Tor, staunten über einige der Darsteller, und plötzlich war es so weit. Die Stille, die wir vorfanden, als wir nach Hause kamen, wurde bereits eine Minute vor Mitternacht durchbrochen, und die Geräuschkulisse erinnerte an einen Kriegsschauplatz, der nicht so weit von uns entfernt war.

Die „feucht-fröhliche“ Freude der Menschen, die Böller warfen und Raketen abfeuerten, schien kein Ende zu nehmen, und ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Bassschlag in der Kneipe auch mir ein Lächeln entlocken und meinen Geist zusammenstampfen wollte, aber ich war entkommen. Meine Frau und ich küssten uns an unserem 45. gemeinsamen Silvesterabend und zogen uns zurück, wir ließen die Jalousien herunter und gingen ins Bett.

Frohes neues Jahr!