Eine Grundsätzliche Frage

Wir erleben viele Menschen heutzutage, die nicht mehr sich ausrechnen können, welche Konsequenzen bestimmtes Verhalten haben werden. Ich habe vor einige Wochen darübergeschrieben, dass der Begriff Freiheit heute anders verstanden wird als vor einige hundert Jahren, und dass die Garantien, die der Gesellschaft bietet, an Verpflichtungen gebunden sind. Es ist nicht anders, als wenn der Sohn die Schule verlässt und meint, dass er jetzt eine Pause haben muss von der Hetze des Schulalltags. Wir haben unser Sohn damals vorgehalten, dass er erwartet, dass seine Eltern für ihn arbeitet und er auf der faulen Haut legen kann, was ihn offensichtlich bis dahin nicht bewusst war. Er brauchte eine kurze Zeit, aber nach einer Weile, erkannte er seinen Fehler. Viele Menschen in unserer heutigen Zeit haben es noch nicht erfasst.

Jede Gruppe braucht das Verständnis, dass man zusammenhält, indem man zusammensteht, um die Herausforderungen der Zeit standzuhalten. Natürlich haben wir schutzbedürftige Menschen, die solche Verpflichtungen nicht nachkommen können, aber jeder soll das machen, was er kann. Es ist vor allem in Krisenzeiten von Bedeutung, dass die Werte einer Gesellschaft für alle klar sind, und jede Untergrabung diese Werte, ob von außen oder von innen, Einhalt geboten wird. Es ist anscheinend eine kniffelige Frage, wenn die Freiheit es selbst ist, die bedroht wird. Freiheiten, welche sowohl für Erwachsene als auch für Kinder als anerkannt gelten, sind allgemein bekannt als fundamentale Rechte, also Rechte, zu deren Genuss die Bevölkerung uneingeschränkt und ohne staatliche Einmischung berechtigt ist. Allerdings, die Notwendigkeit, die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit, die moralischen Werte und die Achtung der Rechte unserer Mitmenschen aufrechtzuerhalten, führt zwangsläufig zu einer gewissen Einschränkung der ordnungsgemäßen Ausübung dieser Rechte.

Diese Beschränkungen werden in der Welt unterschiedlich angewandt, wobei sie in Ländern, in denen eine kollektivistische Philosophie zu Hause ist, strenger umgesetzt werden. Diese Philosophie wird als ein System von Werten und Normen verstanden, in dem das Wohl des Kollektivs höchste Priorität hat und die Interessen des Einzelnen denen der im Kollektiv organisierten sozialen Gruppe untergeordnet werden. Diese Sichtweise geht mit einer Ablehnung der Ideen des Liberalismus einher und zeigt sich aktuell im Konflikt mit Russland um die ehemaligen Staaten der Sowjetunion, die heute Teil der EU sind, sowie der Ukraine, die dies anstrebt, und mit China um Länder wie Taiwan und die ehemalige Sonderverwaltungszone Hongkong, die heute Teil der Volksrepublik China ist. Zurzeit ist der bewaffnete Konflikt in der Ukraine von viele im Westen als eine Bedrohung der westliche Liberalismus, was vor Kurzem in Russland als „satanisch“ bezeichnet wurde.

Es steht außer Frage, dass es im Westen einiges gibt, dass man kritisch sehen kann. Ich selbst habe die Vorherrschaft der Wirtschaftsmacht als „Maschine“ bezeichnet, die sowohl die Umwelt als auch die Gesundheit der Menschen bedroht. Der Klimawandel ist nur eine von vielen Folgen, die dabei eine Rolle spielen, wenn es um die Zukunft geht. Eine Grundordnung darf aber nicht aufgegeben werden, wie manche Aktivisten fordern, denn der Sturz in die Anarchie oder den Faschismus würde letztlich zu Chaos und keiner Verbesserung führen, denn die Wirtschaft sorgt auch für unsere physiologischen Bedürfnisse, und unsere Freiheit bedeutet auch die Freisetzung von Ideen zur Lösung von Problemen. Deshalb ist eine grundsätzliche Klärung der Werte im Westen notwendig, und die schädlichen Entwicklungen, die so viel Unruhe verursachen, müssen beruhigt werden.

Die Gesellschaften im Westen wurden auf religiöse und humanistische Werte aufgebaut, die auch im Laufe der Jahrhunderte sowohl ihre gute als auch schlechte Seiten gezeigt haben. Oft wurden diese Werte verraten, teilweise durch diejenigen, die sie aufgestellt haben. Nicht wenige „Revolutionen“ sind zum Nachteil ihrer Anhänger geworden, und das Zitat „Die Revolution frisst ihre eigenen Kinder“ umschreibt eine solche Entwicklung, und ist dem französischen Revolutionär Pierre Vergniaud zugeordnet, der es bei seiner eigenen Hinrichtung am 31. Oktober 1793 gesagt haben soll. Alexander Solschenizyn beschrieb eindringlich, wie treue Kommunisten sich plötzlich als Konterrevolutionäre im Gulag befanden, weil sie Kritik geäußert haben, oder in dem Verdacht stand. Aber vor allem die Opfer der Kirche müssen bedacht werden, die bis heute immer noch aufgeklärt werden, und zu einer massenhaften Desillusionierung geführt hat, von der alle Kirchen betroffen wurden – vor allem in Europa. Es sind solche Entwicklungen, die dem Westen eine fehlende Geschlossenheit beschert, trotz aller Beteuerung der Politik.

Großbritannien und die USA, die bisherigen Bastionen der westlichen Freiheit, sind tief gespalten, und in vielen europäischen Ländern ist der Ruf nach Frieden, koste es, was es wolle, keine Seltenheit mehr. Die Proteste nehmen zu und Schwarz-Weiß-Denken macht sich breit – entweder „für oder gegen“, ohne differenziertes Denken. „Das Hemd ist mir näher als der Rock“ ist ein altes Sprichwort, das bedeutet, dass die eigenen Interessen wichtiger sind als die des anderen. Die Frage ist, ob es die Werte der Gesellschaft sind, die ich schützen will, oder meine Gewohnheiten – und ob diese Gewohnheiten dadurch geschützt sind, wenn ich mein Wille durchsetze. In Gesprächen mit anderen haben wir uns oft gefragt, ob manche Menschen überhaupt zu logischem Denken fähig sind, und vor allem, ob sie sich darüber im Klaren sind, wozu sie tun, was sie tun.

Deshalb denke ich, dass es eine grundlegende Frage ist: Welche Werte will ich schützen? Wofür lohnt es sich, zu arbeiten, sich gegen Bedrängung zu wehren und notfalls zu kämpfen? Es geht auch um die Frage, ob die Verantwortlichen in unserer Gesellschaft andere Werte als den Profit als schützenswert ansehen, denn es ist schon erwiesen, dass Profit nicht als höchstes Gut dient, und stattdessen Freiheit, Menschlichkeit oder Menschenrechte, aber auch abstrakt-individuelle Werte, wie zum Beispiel Gesundheit, Trinkwasser, Lebensqualität, Umwelt, Sicherheit, in der öffentliche Wertschätzung als „höchstes Gut“ gesehen bzw. bezeichnet werden. Es ist also von höchstem Priorität zu prüfen, wo sie gefährdet sind, und aktiv für ihre Erhaltung zu arbeiten.

Das Problem mit den Männern

Wenn man sich als Mann diesem Thema nähert, muss man eine Menge Selbstkritik in Betracht ziehen, aber auch die Beobachtungen aus sechs Jahrzehnten Erfahrung, in denen mein Mannsein von weiblichen Kollegen ebenso gefordert wurde, wie es in verschiedenen Situationen ein Hindernis war. Da ich ein sehr abwechslungsreiches Berufsleben hatte, vom Soldaten bis zum Altenpfleger, habe ich das Mannsein in vielerlei Hinsicht erlebt und gesehen, wie vielfältig die Eigenschaften eines Mannes sein können, was die Verallgemeinerung der Probleme von Männern in Frage stellt. Männer teilen jedoch die Probleme anderer Männer, einfach dadurch, dass sie das Gegengeschlecht zu Frauen sind, deren Wahrnehmung von Männern durch ihre Erfahrungen geprägt ist.

Natürlich wurde in unserem derzeitigen Trend der extremen Inklusivität viel darüber diskutiert, was ein Mann oder eine Frau sein könnte, ohne zu einem Ergebnis zu kommen, das Menschen in öffentlichen Ämtern offen erklären können, ohne von der einen oder anderen Seite kritisiert zu werden. Die Tatsache, dass ein Politiker es vermeidet, die Frage „Was ist eine Frau?“ zu beantworten, ist bezeichnend für die Verwirrung, in der sich unsere Gesellschaft befindet. Auf der einen Seite gibt es Menschen, die davon ausgehen, dass das Geschlecht ein Gefühl ist, das man in einem frühen Stadium des Lebens „kennen“ kann, auf der anderen Seite ist es schwer zu definieren – Meinungen, die sich widersprechen. Ich bin mutig genug zu sagen, dass ich in meinem Alter weiß, was ein Mann oder eine Frau ist, und dass sie speziell durch ihre natürliche Physiologie erkannt werden. Von diesem Gesichtspunkt aus werde ich fortfahren.

Es gab keinen Zweifel darüber, was ein Mann oder eine Frau ist, zumindest in der Zeit, in der wir Geschichte haben. Die Erwartungen an jedes Geschlecht wurden von der Natur diktiert, insbesondere bei der Fortpflanzung zum Fortbestand der Spezies. Die Frage, ob Männer und Frauen mit diesem Arrangement glücklich waren, war lange Zeit irrelevant. Zunächst war die Vorbereitung der Kinder auf ihre Rolle im Leben eine Überlebensnotwendigkeit, und selbst in jüngerer Zeit, als die Zivilisation die Zahl der von der Natur gestellten Herausforderungen reduzierte, blieben die grundlegenden Rollen von Männern und Frauen dieselben. Die Gelegenheit, den Status quo zu ändern, kam sehr spät, bei der die Frauen als menschliche Wesen, die nicht vollständig von ihren Körperfunktionen diktiert wurden, anerkannt wurden und als die Vorreiter dieser Entwicklung ermöglichten entweder durch Enthaltsamkeit oder später durch Eingriffe. Gleichzeitig brachen viele Männer aus den Konventionen aus, in denen sie sich eingeengt fühlten, und führten ein Leben, das sich den Blicken der Mitmenschen entzog. Trotz der wachsenden Vielfalt gab es keinen Zweifel daran, was ein Mann oder eine Frau war.

Die Probleme mit Männern müssen also eine Perspektive haben, aus der sie wahrgenommen werden, und es ist ganz natürlich, dass die Probleme aus der Perspektive der Frauen am offensichtlichsten sind. Männern wird eine „toxische“ Männlichkeit vorgeworfen, die sich in einem gereizte Verhalten gegenüber Frauen äußert, die sich nur als Sexobjekte oder potenzielle Partner für die Fortpflanzung wahrgenommen fühlen. Als ich aufwuchs, befanden wir uns in der Phase der Emanzipation durch die Antibabypille, aber auch durch die Verbreitung von Pornografie, und wir lebten in einer so genannten „permissiven Gesellschaft“, was tatsächlich bedeutete, dass Sex ein Thema wurde, über das offen gesprochen wurde. Mit solchen Diskussionen wurden Erwartungen an die Geschlechter gestellt, wie attraktiv sie sein sollten, oder, im Falle von Männern, wie sie „funktionieren“ sollten. Selbst im letzten Schuljahr gab es Mitschüler, die sexuell aktiv waren – manchmal sogar im Klassenzimmer. Die damaligen gegenseitigen Erwartungen setzten sowohl Männer als auch Frauen unter Druck, sich anzupassen, und ich erinnere mich, dass diejenigen, die sich nicht anpassten, bis zu einem gewissen Grad zu Ausgestoßenen wurden. Es gab auch zahlreiche „Opfer“ der Freizügigkeit, meist junge Frauen, die ungewollt schwanger wurden, sowie Männer und Frauen, die sich sexuell bedingte Krankheiten zuzogen.

Ich glaube, dass diese Phase in vielen Ländern noch nicht überwunden ist und obwohl der Konformitätsdruck gelockert wurde, so dass Homosexualität möglich ist, die Erwartungen sind nach wie vor vorhanden und es wird berichtet, dass sogar Schulkinder haben zu Pornografie Zugang. Da von Männern erwartet wird, dass sie die aktiven Partner in sexuellen Beziehungen sind und ihre „Leistung“ von Frauen beurteilt wird, die erwarten, dass ihre eigenen Wünsche befriedigt werden, ist der Druck auf Männer größer, was zu sexuellen Problemen wie erektiler Dysfunktion (Impotenz oder ED), vorzeitigem Samenerguss und Libidoverlust führt. Die Definition einer befriedigenden sexuellen Beziehung hängt davon ab, was jede Person für sich selbst als befriedigend empfindet, und wenn Partnerschaften nur auf gegenseitigen Erwartungen beruhen, kann der eine oder andere unzufrieden werden. Es gibt auch eine große Zahl von Männern und Frauen, die keine sexuelle Beziehung haben, was sich negativ auf ihr Sozialverhalten auswirken kann.

Ich denke, dass hier viele Probleme mit Männern entstehen, weil Männer in Beziehungen im Allgemeinen weniger umgänglich sind und dazu neigen können, Frauen in eine eher unterwürfige Rolle zu zwingen. Dies kann sich noch verstärken, wenn ein Mann nicht das bekommt, was ihm seiner Meinung nach zusteht, oder wenn der Druck, die erwarteten Leistungen zu erbringen (nicht nur sexuell, sondern auch beruflich), zu groß wird, was zu Alkoholismus oder Drogenkonsum führen kann. Dies wird noch komplizierter, wenn der Mann aus einer Familie kommt, wo Missbrauch betrieben wurde, wenn er den Wunsch entwickelt, die Familie zu kontrollieren, oder wenn es zu finanziellen Schwierigkeiten kommt und häusliche Gewalt die Oberhand gewinnt. Ein körperlich starker Mann kann eine durchschnittliche Frau leicht dominieren, was die Frauen zum traditionellen Opfer und zu denjenigen macht, die geschützt und einen sicheren Raum brauchen.

Männer unterschätzen oft die Angst, die Frauen haben, wenn Männer aggressiv werden, selbst wenn sich ihre Aggression nicht gegen Frauen richtet, und das schließt alle Demonstrationen von Stärke und Dominanz ein. Das hat viel damit zu tun, dass Frauen lange darunter gelitten haben, untergeordnet zu sein, und dazu neigen, immer wieder in diese Rolle zu fallen, obwohl sie die Fähigkeit haben, die Dinge angemessen zu regeln. Männern mangelt es auch an Einfühlungsvermögen gegenüber Frauen, deren Physiologie auch ihre Stimmungen und ihre Fähigkeit zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben bestimmt, was dazu führen kann, dass sie Flirtversuche von Männern zurückweisen, wie gut gemeint sie auch sein mögen. Männern fehlt auch oft die Perspektive von Frauen, die in jeder Situation andere Signale wahrnehmen als Männer, was auf ihre unterschiedlichen physiologischen Wahrnehmungsfähigkeiten zurückzuführen ist. Auch die Verarbeitung von Emotionen fällt Frauen leichter als Männern, da sie sich leichter einen Reim auf eine Situation machen können.

Diese Unterschiede werden besonders deutlich, wenn man viele Transfrauen beobachtet, die, obwohl sie sich angeblich als Frau fühlen, nicht in der Lage sind, sich in typisch weibliche Empfindungen einzufühlen. Deutlich wird dies an Fällen von Transfrauen in geschützten Unterkünften für Frauen, die häusliche Gewalt erlitten haben, und die kein Einfühlungsvermögen für das Trauma der Frauen aufbringen, in einigen Fällen ihre Stimme erheben oder sogar nackt herumlaufen und ihre männlichen Genitalien zur Schau stellen, was Ängste auslöst. Sie aber dennoch erwarten, als Frauen akzeptiert zu werden. Nirao Shah, Professor für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften sowie für Neurobiologie, sagte: „Alle sozialen und sexuellen Begegnungen beruhen darauf, dass man zunächst das Geschlecht des anderen korrekt identifiziert, das ist eine grundlegende Entscheidung, die Tiere treffen.“ Aufgrund einer wachsenden Liste von Hirnschaltkreisen bei Säugetieren, die bei Männchen anders funktionieren als bei Weibchen, erweisen sich Frauen im Allgemeinen als geschickter bei der Erkennung des anderen Geschlechts und orientieren sich stärker an Gesichtern und Bewegungen als Männer. Dies macht es einer traumatisierten Frau schwer, wegzuschauen, wenn eine Person, die sie sofort als Mann identifiziert, den Raum betritt.

Die Frage ist also: Was muss getan werden, um diese Probleme in den Beziehungen zwischen Männern und Frauen zu überwinden? Es sollte nicht nötig sein zu sagen, dass beide Seiten zusammenarbeiten müssen und dass nicht nur die Männer das Problem sind. Viele Mütter haben eine wichtige Rolle bei der Erziehung ihrer Söhne zum Erwachsensein gespielt, und zu viele haben dies getan, indem sie sich auf konventionelle Normen verlassen haben, die Männer auf bestimmte gesellschaftliche Erwartungen beschränken und von ihnen verlangen, dass sie sich daranhalten, da sie sonst schwerer Kritik und Spott ausgesetzt sind. „Jungs weinen nicht“ oder alles, was mit „Echte Männer tun/nicht tun…“ beginnt, sind klassische Beispiele für die Verstärkung toxischer Regeln, die von ihnen erwarten, stoisch, gefühllos, logisch und furchtlos zu sein, was sie einem größeren Risiko aussetzt, an psychischen Problemen zu leiden.

Obwohl das Abendland angeblich von christlichen Moralvorstellungen beeinflusst wurde, sind Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung keine offensichtlichen Verhaltensmodelle. Wenn sich die Männer ändern sollen, muss die Gesellschaft sensibler für das werden, was den Menschen schadet, sei es in Beziehungen, bei der Arbeit, im Spiel oder in unserer populären Darstellung des Lebens in der Unterhaltung. Frauen müssen begreifen, dass Männer auf andere Weise verletzlich sind als sie selbst, und ein populäres deutsches Lied von Herbert Grönemeyer hat dies gut demonstriert:

Männer nehm’n in den Arm, Männer geben Geborgenheit

Männer weinen heimlich, Männer brauchen viel Zärtlichkeit

Oh Männer sind so verletzlich

Männer sind auf dieser Welt einfach unersetzlich

Männer kaufen Frauen, Männer stehen ständig unter Strom

Männer baggern wie blöde, Männer lügen am Telefon

Oh Männer sind allzeit bereit

Männer bestechen durch ihr Geld und Ihre Lässigkeit

Männer haben’s schwer, nehmen’s leicht,

Außen hart und innen ganz weich

Werd’n als Kind schon auf Mann geeicht                   

Wann ist ein Mann ein Mann?

Wann ist ein Mann ein Mann?

Wann ist ein Mann ein Mann?

Männer haben Muskeln, Männer sind furchtbar stark

Männer können alles, Männer kriegen ’nen Herzinfarkt

Oh Männer sind einsame Streiter, Müssen durch jede Wand,

Müssen immer weiter, Männer haben’s schwer, nehmen’s leicht,

Außen hart und innen ganz weich

Werd’n als Kind schon auf Mann geeicht

Wann ist ein Mann ein Mann?

Wann ist ein Mann ein Mann?

Wann ist ein Mann ein Mann?

Männer führen Kriege, Männer sind schon als Baby blau

Männer rauchen Pfeife, Männer sind furchtbar schlau

Männer bauen Raketen, Männer machen alles ganz genau

Wann ist ein Mann ein Mann?

Wann ist ein Mann ein Mann?

Männer kriegen keine Kinder, Männer kriegen dünnes Haar

Männer sind auch Menschen, Männer sind etwas sonderbar

Männer sind so verletzlich, Männer sind auf dieser Welt

Einfach unersetzlich.

Männer haben’s schwer, nehmen’s leicht,

Außen hart und innen ganz weich

Werd’n als Kind schon auf Mann geeicht

Wann ist ein Mann ein Mann?

Wann ist ein Mann ein Mann?

Wann ist ein Mann ein Mann?

Wann ist man ein Mann?

Wann ist man ein Mann?

Wann ist man ein Mann?

Auf der Suche nach Sinn und Weisheit

Ich bin ein privilegierter Mensch, zumindest fühle ich mich so, und ich bin dankbar, dass trotz der wenigen widrigen Umstände, die ich bereits erlebt habe, nichts so schlimm war, dass es in die Nachrichten gekommen wäre, geschweige denn so schlimm, wie es viele Millionen Menschen auf der ganzen Welt im Laufe meines Lebens erlitten haben. Wenn ich auf fast sieben Jahrzehnte zurückblicke, war ich mir meines Privilegs nicht immer bewusst, und wie alle Menschen hat man mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen.

Seit meinem zweiten Lebensjahr wuchs ich in Devon, England, auf, wo mein Vater in der britischen Armee in einer Einheit mit Amphibienfahrzeugen diente. Diese Zeit wurde von dem Unfall überschattet, bei dem mein Vater seine Mannschaft verlor. Da der Unfall auf einen Konstruktionsfehler zurückgeführt wurde, traf meinen Vater keine Schuld, dennoch war er zutiefst betroffen, und es hatte zur Folge, dass er keinen Geistlichen ertragen konnte, der ihm Trost spenden wollte. Mein Vater war damals ein Meisterschwimmer, was ihn gerettet hat, ebenso wie die Tatsache, dass er oben war, als die Maschine in die Tiefe stürzte. Ich habe ihn immer als etwas melancholisch und sehr pflichtbewusst erlebt, was ihm von allen Familienmitgliedern nachgesagt wurde. Er wirkte streng, aber ich traf viele Menschen im Lauf des Lebens, die ihm dankbar waren, und viele Menschen, die nur Gutes über ihn sagen konnte.

Für einen Jungen, der vier Jahre auf einen Bruder warten musste, war es eine Zeit des unsichtbaren Freundes, der Fantasien, tiefen Eindrücke, und wilde Ausschweifungen, die zu Unfällen führte, die zum Glück nicht tödlich endete. Ich war die meiste Zeit in meine eigene Welt, die nur notdürftig der realen Welt tangierte. Ich erzählte von Dinge, die meine Familie als blühende Fantasie beschrieb, und hatte Schwierigkeiten, die Realität zu akzeptieren. Die Erinnerungen an die Zeit damals sind schleierhaft, als ob ich nicht immer da war, was nach den Erzählungen meiner Mutter, zum Teil stimmte. Ich habe als Kind das Gefühl gehabt, dass es viel zu viel gab, mit dem ich zusammenstoßen könnte, und so hielt ich mich zurück und beobachtete, oder versank in eine andere Welt meiner Fantasie.

Ich hatte eine schwierige Beziehung zur Schule, was nicht gerade hilfreich war. Nachdem ich in Devon eingeschult worden war, wechselte ich wegen der Versetzung meines Vaters nach Malaysia die Schule, dann wieder nach seiner Rückkehr (von den Unterbrechungen ganz zu schweigen), dann in die Sekundarstufe, noch einmal, als er die Armee verließ und in meinen Geburtsort zog, mit einem erneuten Wechsel in den letzten Schuljahren, war es mir kaum möglich, akademisch etwas zu erreichen. Ein Lehrer hatte mein Interesse an Literatur, klassischer Musik, Theater und Tanz geweckt, aber innerhalb eines Jahres war ich schon wieder woanders, und jeder Versuch, wieder Anschluss zu finden, scheiterte. Ich tauchte wieder in meine Fantasie ab, schwänzte die Schule und versteckte mich in Cafés, um Hefte voll zu kritzeln.

Dieser kurze Einblick in meine frühe Kindheit sollte nur verdeutlichen, dass ich von Anfang an eher zum Rückzug neigte, und spätere Begegnungen mit der Welt verstärkten diese Neigung, auch wenn ich mich bemühte, teilzunehmen. Kein Wunder also, dass ich in der Berufswelt als unreifes, schüchternes Wesen auftrat, das buchstäblich an die Hand genommen werden musste. Im privaten Bereich wurde diese Aufgabe meinem Cousin übertragen, der ein Jahr jünger war und dem ich irgendwie interessant erschien. Wir wurden beide eindringlich darauf hingewiesen, dass wir als Cousinen keine Liebesbeziehung haben durften, was mir etwas seltsam vorkam, aber vielleicht war sie in dieser Hinsicht schon weiter als ich.

Als ich beschloss, zum Militär zu gehen, erregte ich allgemeines Aufsehen, und mein Vater hielt mich davon ab, bis ich mit achtzehn Jahren selbst entscheiden durfte. Er war immer noch dagegen und warnte mich eindringlich vor einer Dummheit, ohne ins Detail zu gehen. Es war eine andere Welt, und doch merkte ich bald, dass meine Neigung, alles aus der Ferne zu beobachten, sich als hilfreich erwiesen hatte, um zu verhindern, dass ich nachts weinte, wie einige meiner Kameraden. Es war eine Erleichterung, als die Grundausbildung vorbei war und wir nicht mehr mit Waffen umgehen mussten. Der Ton wurde weniger rau, aber die Fahrschule wurde durch zwei cholerische Fahrlehrer anfangs erschwert, bis ich die größeren Fahrzeuge fahren durfte. Als ich endlich Panzer fahren durfte, wurde ich als Naturtalent bezeichnet, was aber bedeutete, dass ich meine Prüfung früher als sonst ablegen musste und weniger fahren durfte.

Erst als ich nach Deutschland versetzt wurde, bekam ich ein Gefühl dafür, was ich suchte. Es war mir selbst ein Rätsel, warum ich Soldat wurde, aber ich begann zu begreifen, dass ich aus England herauswollte, und Deutschland erschien mir auf eine angenehme Weise sehr fremd. Das bisschen Deutsch, das ich in der Schule gelernt hatte, diente nur zur Belustigung der deutschen Frauen und es dauerte nicht lange, bis meine Zeit in der Kaserne zweitrangig wurde und ich die Stadt, in der ich stationiert war, und vor allem die Frauen entdeckte. Der schüchterne Junge, der ich war, merkte plötzlich, dass die Gesellschaft von Frauen sehr angenehm war, und ich verlor meine anfänglichen Hemmungen. Dennoch wurde meine verspielte Art nicht von allen akzeptiert, und ich hörte sehr oft: „Du meinst es nicht ehrlich!“ Nachdem eine Freundschaft mit einer Lehrerin aus England zu einer Mitgliedschaft in einem Buchclub geführt hatte, begann ich zu lesen und entdeckte, dass viele meiner Fragen schon vor langer Zeit von Autoren gestellt worden waren. Die Welt begann sich zu öffnen.

Die erste richtige Beziehung, die ich hatte, endete nach der Tour in Nordirland – obwohl ich bis zum Schluss Briefe erhielt, die ihre Liebe bezeugten. Diese Erfahrung setzte in mir einen Prozess in Gang, und bis dahin hatte ich weiter für mich geschrieben, manchmal in sehr schlechtem Deutsch – manchmal hatte ich sogar auf Wunsch Liebesbriefe für meine Kameraden geschrieben, die sie dann an ihre Freundinnen schickten. Das Verhältnis zu meinem Vater litt unterdessen darunter, dass er nicht daran interessiert war, auf meine Vermutungen, Fragen und Beobachtungen ausführlich einzugehen. Infolgedessen hatte ich viele Fragen, die niemanden in meinem Umfeld interessierten, die aber durch das Lesen zunahmen, und ich merkte, wie sich in mir eine Leere auftat.

Es war nur logisch, dass ich, als ich in dieser Situation meine zukünftige Frau traf und wir lange Gespräche führten, die zwar noch nicht alle Fragen in mir beantworteten, aber dem Leben plötzlich eine Tiefe gaben, daran festhalten wollte. Nach kurzer Zeit machte ich ihr einen Heiratsantrag, auf Deutsch und falsch ausgesprochen, aber immerhin. Sie stellte klar, dass sie nie nach England ziehen wollte, und ich konnte ihr versichern, dass ich es auch nicht wollte. Unsere Entscheidung hat alle schockiert, vor allem mein damaliger bester Freund, der sogar in Frage stellte, ob ich überhaupt heiraten sollte. Meine Familie war in Aufruhr, denn meine Mutter hatte geplant in dem Jahr wieder zu heiraten und konnte es sich nicht leisten, auch noch nach Deutschland zu kommen, und mein Vater vermutete, dass ich nicht nach England zurückkehren würde.

So chaotisch unsere Hochzeit auch war, ohne meine Familie, da mein Bruder, der ebenfalls in Deutschland stationiert war, vergessen hatte, zur Hochzeit zu kommen, und nur mit meinem besten Freund als Trauzeugen, aber in Anwesenheit einiger älterer Damen aus dem Altenclub, den die Großmutter meiner Frau besuchte, war es der Beginn einer langanhaltenden Beziehung für uns beide bis heute. Die Strapazen des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Militär bestärkten mich in meinem Entschluss, einen Neuanfang zu wagen, und so wurde ich 1978 zum Emigranten und in gewisser Weise zum Exilanten. Obwohl es viel über die ersten Jahre in Deutschland zu sagen gibt, möchte ich nur sagen, dass ich in eine Lernphase eintrat, die einer Explosion glich. Ich konnte nicht genug lesen und habe alles aufgesogen, was ich bekommen konnte. Die Frage nach dem Sinn des Lebens und einer angemessenen Richtung machte sich in mir breit, und in dem Haus, in dem wir wohnten, gab es auch Studenten, mit denen ich viele Abende in feucht-fröhlichen Diskussionen verbrachte, was natürlich auch dazu beitrug, mein Deutsch zu verbessern.

Als meine Frau schwanger wurde, änderte sich etwas. Mir wurde klar, dass mein bisheriges Leben als LKW-Fahrer nicht erfüllend war, und mit einem Kind musste sich etwas ändern. Ich besuchte die Abendschule, um die notwendigen Qualifikationen zu erwerben und einen Beruf zu erlernen. Ich hatte die Altenpflege im Sinn, weil die Großmutter meiner Frau bereits in einem Altenheim lebte und ich bei Besuchen das Gefühl hatte, dass das zu mir passen könnte. Leider hatte ich nicht bedacht, dass mit unserem neugeborenen Sohn die sehr schlecht bezahlte Ausbildung nicht möglich sein würde, und obwohl ich bereits Zusagen hatte, musste ich erst einmal absagen. Stattdessen bekam ich ein Angebot, als Zivilist in einer Werkstatt der britischen Armee zu arbeiten. Als die Werkstatt nach zehn Jahren und nach dem Fall der Berliner Mauer und der Auflösung der UdSSR aufgelöst wurde, bekam ich eine zweite Chance, jetzt als Umschüler, eine Ausbildung zum Altenpfleger.

In der Zwischenzeit hatte ich mich einer Gruppe von Christen angeschlossen, die sich selbst als „bibelgläubig“ bezeichneten, was sehr aufschlussreich war, und ich hatte dort viele Freunde gefunden. Nach ein paar Jahren fühlte sich die fundamentalistische Ausrichtung jedoch einengend an, und nach einem Gespräch mit einem älteren Leiter des Kreises, der mir bestätigte, dass ich „weiterziehen“ müsse, trennte ich mich von der Gruppe. Denn ich hatte begonnen, an dem begrenzten Konzept „Gott“ zu zweifeln, auch wenn ich noch nicht die richtige Formulierung gefunden hatte, fand ich die Ideen, die ich in der Gruppe hörte, zu klein und inkonsequent. Ich hatte angefangen, vergleichende Studien zu lesen und den Buddhisten, die Vedische Tradition und Taoisten zuzuhören, wie ihr Verständnis des „einheitlichen Ganzen“ viel größer war.

Die Ausbildung hat mir noch einmal eine ganz neue Perspektive und neuen Lesestoff gegeben. Die Kombination aus der Ausbildung und der geistigen Horizonterweiterung, vor allem im Umgang mit Menschen am Ende ihres Lebens, wobei ich natürlich mehr mit Bewohnern zu tun hatte, die nacheinander starben, stärkte in mir einen Idealismus, der mir in allem eine Richtung gab und mich schließlich in die Leitungsposition führte. Die Kirchengemeinde, der ich mich angeschlossen hatte, wollte mich auch zum Presbyter wählen, was ich zuließ. Das Problem, wenn man so idealistisch ist, ist, dass man enttäuscht werden kann. Ein heftiger Streit in der Gemeinde, ein cholerischer Chef, anhaltend schwierige Umstände, die man kaum lösen kann, und der Verlust der sozialen Ausrichtung der Arbeit trugen dazu bei, dass sich allmählich Enttäuschung einstellte, die nach anhaltendem Stress im Burnout endete.

Es ist wichtig zu erkennen, dass die Situation, in der man sich befindet, das Problem ist, denn wenn man deprimiert ist, neigt man dazu, sich selbst herunterzumachen und sich die Schuld zu geben. Nicht, dass man keine Fehler macht, aber wenn eine Situation zu einem Teufelskreis wird, aus dem es kein Entrinnen gibt, wird einem klar, dass man in einem Prozess gefangen ist, der eher einer Maschine gleicht als einem gesunden menschlichen Leben, in dem Fehler korrigierbar sind und nicht das Ende von allem bedeuten. Wir sind leider Opfer einer einseitigen Sichtweise auf das Leben geworden, und die vielen Krisenherde in der Welt zeigen uns, dass wir aus den Fehlern des vergangenen Jahrhunderts noch nicht gelernt haben. Wenn wir in der Lage wären, mehr das große Ganze zu betrachten, würden wir sehen, welche Teufelskreise wir schaffen.

Das Thema meines Blogs wird sein, diese Perspektive zu erforschen, und ich hoffe, dass meine LeserInnen es interessant finden, nach Weisheiten zu suchen, die uns helfen, der Maschine zu entkommen und zu leben, zu lieben, zu lachen und wenn nötig zu weinen. Ich freue mich darauf, von Ihnen/Euch zu hören, egal ob es sich um Kritik, Ermutigung oder Fragen handelt.

Ich danke Ihnen/Euch für Ihre Zeit.

Fünf Uhr morgens

Ich liege seid 5 Uhr wach und fühle mich allein. Zwar kann ich die Stimmen und die Schritte der Schwester auf den Flur hören, doch sie war kurz hier und hat mir zu verstehen gegeben, sie könnte nicht andauernd hereinkommen. Sie hat mir den Fernseher angemacht aber nicht gemerkt, dass ein Sportsender läuft. Es ist nur Werbung für Heimtrainer und Fitnesskurse zu sehen – und ich liege hier mit amputierten Beinen.

Ich weine sehr viel, obwohl ich eigentlich ein Mann sein soll. Doch seit meinem Schlaganfall erlebe ich die linke Hälfte meines Körpers nur als Belastung, fühle mich nicht mehr als Mensch, geschweige denn als Mann. Ich bin 85 Jahre. So alt wird kein Schwein. Und ich liege hier und warte auf die Ereignisse des Tages.

Ich liege auf meinem Bett voll mit Kissen, Decken, Oberbett, Wärmeflasche, Taschentücher, wie auf Watte. Ich kann mit meinem gesunden Arm mich ein wenig mit dem „Galgen“ bewegen, doch nicht viel. Wenn ich es nicht aushalten kann, so drehe ich mich zur gelähmten Seite – nur ich kann dann nicht mehr zurück. Die Schwester drückt mir ein Kissen in den Rücken und sagt: es muss sein! Schlimmer noch, sie nehmen manchmal eine gefaltete Decke – wie Steine im Rücken fühlt sich das an. Doch die wissen nicht, wie es ist, stundenlang hier zu liegen mit Steinen in den Rücken.

Sie wissen ohnehin nicht, wie mein Leben abgelaufen ist. Sie wissen nicht, wie es ist Diabetes zu bekommen, wie schwer es sein kann, Diät einzuhalten. Sie sagen mir nur, dass meinen amputierten Beinen auf das Nichteinhalten meiner Diät zurückzuführen ist. Also, selbst schuld! Sie wissen erst recht nicht, wie es ist, einen Schlaganfall zu bekommen und im Krankenhaus aufzuwachen. Damals habe ich niemanden verstanden und konnte mich nicht äußern. Ich konnte mich überhaupt nicht bewegen und sah auch nichts, was links von der Mitte war.

In meiner Jugend war ich sportlich. Ich war, wie die meisten, auch in der Wehrmacht. Mein Vater war auch Soldat gewesen. Nur er ist nicht so wie ich gestorben. Ich habe viele Menschen gekannt, war auch bekannt bei vielen und konnte mitreden. Ich gehörte dazu. Nun bin ich abseits, liege in einem Zimmer mit jemand anders – manchmal weiß ich wer es ist, manchmal kommt es mir vor, als wäre jemand aus der Familie dort. „Alles Quatsch!“ sagen die Schwestern. Was wissen sie schon!

Es ist immer noch halb sechs. Erst um sechs Uhr kommt die erste zum Frühdienst, aber erst um acht Uhr werden sie bei mir die Tür aufmachen. Bis dahin werde ich diesen Mist im Fernsehen ertragen müssen – die Fernbedienung finde ich nicht und die Schelle haben sie weggenommen – glaube ich zumindest. Erst um acht Uhr wird Schwester Maria durch die Tür kommen. Sie lächelt dann freundlich und wird mich waschen und anziehen. Sie ist Ausländerin, wie so viele Mitarbeiter hier im Heim. Doch sie ist freundlich.

Manchmal bin ich ungehalten, weil ich schlecht geschlafen habe. Manchmal habe ich „Phantomschmerzen“, wie sie sagen. Phantom, das ist wie ein Geist oder sowas, aber meine Schmerzen sind real. Manchmal habe ich so einen Heißhunger oder Durst bis unter beide Arme, doch ich komme nicht an das Wasser heran. Da kann ich ungemütlich werden. Manchmal komme ich an die Flasche, kann aber mit meinen eine Hand die Flasche nicht öffnen. Es ist schon mal vorgekommen, dass ich die Flasche gegen die Wand geworfen habe. Da kam jemand – aber nur zu schimpfen, zu trinken bekam ich immer noch nicht.

Das Schlimmste ist, wenn sie so tun, als wäre ich ein Kind. Ich bin kein Kind, auch wenn sie mich drehen und wenden müssen. Auch wenn sie mich aus dem Bett in meinen Rollstuhl heben müssen, mir den Stecktisch an den Rollstuhl befestigen, oder ein Lätzchen umhängen. Aber, was bin ich eigentlich? Tagsüber bekomme ich von einigen manchmal das Gefühl, wichtig zu sein. Aber nur einige. Die sagen: Er ist schwierig! Doch sie sollten das erleben, was ich erleben muss. Das ist kein Leben.

Aber meine Kinder sind noch berufstätig. Sie können mich nicht pflegen, sagen sie. Sie kommen jeden Tag. Ich sollte wohl dankbar sein. Mein Sohn ist auch noch geschieden … scheiß Leben. Ich habe schon der Schwester gesagt, die sollen mir eine Spritze geben zum Schlafen – für immer. Doch die tun‘s nicht. Sie haben ohnehin den falschen Beruf. Ich habe den Chef, so wie sie alle sagen, gefragt, ob er immer noch an dem Beruf Spaß hat, er sagte ja. Doch es wäre nichts für mich.

Er ist auch freundlich, kann mich eigenhändig aus dem Rollstuhl heben – aber ein Griff hat er, da bleibt kein Auge trocken. Aber er ist freundlich und spricht mit mir, als wäre ich ein Mann. Er würde sagen: Sie sind ja ein Mann! Ich glaube, er hat auch Ahnung. Die Schwestern fragen ihn immer, wie mein Po behandelt werden sollte – und er sagt immer: „Es sieht besser aus heute,“ oder „da müssen wir was tun.“  Oder er kommt und sieht die Wunden an den Stümpfen an, die immer noch nicht zugewachsen sind.

Vielleicht kommt er heute zu mir. Aber, er ist nicht so oft da. Irgendjemand wird kommen – nur bis dahin werde ich wahrscheinlich wieder eingeschlafen oder vor Durst oder Hunger umgekommen sein. Manche reden so laut, dass man Kopfschmerzen bekommt – andere sagen nur das Nötige. Da kommt man sich wie ein Stück Fleisch vor, das zubereitet wird. Was soll‘s – ich kann nur nicht mehr diesen Fitnesswahn im Fernseher ansehen. Ich mache die Augen zu, vielleicht kann ich schlafen, vielleicht träumen – vielleicht ….

„Die Sache mit den Dingen“ – Achtsamkeit

Als ich in den 1990er Jahren in der Altenpflege arbeitete, war eine der seltsamsten Begegnungen, die wir hatten, die mit Patienten, die einen Schlaganfall erlitten hatten. Oft lag der Schlaganfall schon lange zurück, und die Chancen, die Symptome rückgängig zu machen, waren längst dahin. Wenn ich erfuhr, dass ich einen neuen Patienten oder Bewohner auf meiner Station aufnahm, war es für mich wichtig zu wissen, welche Seite gelähmt war und in welchem Ausmaß. Das hatte mit dem Pflegebedarf zu tun, denn wir stellten fest, dass die linksseitig Gelähmten oft Probleme mit der Sprache hatten, aber ihre gelähmte Seite in ihr Leben integriert hatten, während die rechtsseitig Gelähmten das Symptom des „Neglects“ aufwiesen und oft sehr viel eingeschränkter waren, weil ihre linke Seite „nicht mehr zu ihnen gehörte“, wie uns ein Bewohner sagte.

Damals habe ich für meine Mitarbeiter Musterpflegepläne entwickelt, um die Pflegeplanung zu vereinfachen und sicherzustellen, dass nichts vergessen wird. Bei der Entwicklung des Pflegeplans für Bewohner mit Schlaganfall stellte ich fest, dass das gesamte Thema weitaus komplexer war, als ich in meiner Ausbildung gelernt hatte oder in den uns zur Verfügung stehenden Lehrbüchern dargestellt wurde. Dort, wo die Komplexität dargestellt wurde, hatten meine Mitarbeiter oft Schwierigkeiten, dieses Wissen in ihre Pflegeplanung zu übertragen oder zwischen der Theorie und dem konkreten Fall zu unterscheiden. Damals war ich so etwas wie ein Novum, was mir ein Gastpsychiater bei einer unserer Fortbildungsveranstaltungen sagte, und wir entwickelten eine Art Freundschaft, die so lange anhielt, wie ich in diesem Bereich arbeitete.

Seitdem ist eine Reihe von Büchern von Iain McGilchrist erschienen, in denen die Komplexität der Erkrankung durch einen Schlaganfall und weit darüberhinausgehende Auswirkungen auf die Arbeit der Gehirnhälften untersucht wurden. Ich führe die Bücher im Folgenden auf. In Ways of Attending schreibt McGilchrist: „Aufmerksamkeit mag etwas langweilig klingen, ist es aber überhaupt nicht. Sie ist nicht nur eine weitere „kognitive Funktion“ – sie ist tatsächlich nichts weniger als die Art und Weise, wie wir mit der Welt in Beziehung treten“. In seinem neuen Buch „The Matter With Things“ fügt er dem ein Kapitel über Aufmerksamkeit hinzu, in dem er diesen Punkt in einem größeren Zusammenhang erläutert.

Was ich in den 1990er Jahren nicht verstand, war, dass die Menschen, mit denen wir zu tun hatten, ein viel größeres Problem hatten, als wir uns vorstellen konnten. Diejenigen, die ihre linke Seite „verleugneten“, hatten in vielen Fällen tatsächlich kein Konzept mehr für die linke Seite, und es ging nicht nur darum, einen Teller zu drehen, damit der Bewohner weiter essen konnte – solange die linke Seite des Tellers nicht in Sicht war, existierte sie für ihn nicht. Dies zeigte sich in der offensichtlichen Unfähigkeit, mit dieser Einschränkung zurechtzukommen und den Teller selbst zu drehen, denn bei der nächsten Mahlzeit war die Erfahrung der vorherigen verschwunden. McGilchrist gibt sich große Mühe, dieses Phänomen anhand zahlreicher in medizinischen Fachzeitschriften aufgezeichneter Beispiele zu belegen.

Ich erwähne dies in meinem Blog nicht nur, weil ich die Bücher Menschen empfehle, die besser verstehen wollen, wie wir uns zu unserer Welt verhalten, sondern auch, weil McGilchrist darauf hinweist, dass ein solch seltsames Phänomen nicht auf Bewohner von Pflegeheimen oder Patienten in einem medizinischen Umfeld beschränkt ist. Wir erleben im Laufe unseres Lebens viele Menschen, die eine seltsame Unfähigkeit zeigen, mit der Welt in Beziehung zu treten, bei denen wir nicht sofort eine Form von Pathologie am Werk sehen würden. In vielerlei Hinsicht ist dies ein weiteres Beispiel dafür, warum wir mit unseren Mitmenschen geduldig sein müssen, und ich hoffe, dass wir die gleiche Geduld aufbringen und unseren Differenzen auf den Grund gehen können.

Wenn es derzeit eine Krise gibt, dann zeigt sich das sicherlich in der Unfähigkeit mancher, sich mit der Realität zu arrangieren. Ich erlebe viele Menschen, die, wie auch ich, dazu neigen, Aspekte der Welt auszublenden, die nicht mit unserem Weltbild vereinbar sind. Das ist nicht nur bei religiösen oder politischen Extremisten der Fall, sondern wir alle haben einen blinden Fleck. Es gibt verschiedene Systeme, die es uns ermöglichen sollen, diese blinden Flecken zu überwinden, sei es das Enneagramm oder die Myers-Briggs-Persönlichkeitstypen, die uns zumindest eine andere Perspektive vermitteln. Ein einfacherer Weg ist die Kommunikation mit anderen Menschen, die eine andere Sichtweise haben, wenn wir die möglichen Konflikte, die auftreten können, akzeptieren können. Aber im Grunde genommen geht es um die Frage, wie wir die Welt wahrnehmen.

Der Begriff „Achtsamkeit“ ist in den letzten zwanzig Jahren viel in Umlauf gebracht worden. Ich entdeckte ihn 2002, als ich einen MBSR-Kurs (Mindfulness-Based Stress Reduction) besuchte. Der Begriff Achtsamkeit stammt aus der buddhistischen Lehre, wo er eine größere Bedeutung hat als im medizinischen Bereich und Teil einer Lehrmeinung ist. Die Bücher von Jon Kabat-Zinn greifen diesen einen Aspekt auf und lehren uns, achtsam mit der Welt umzugehen und die „normale Katastrophe“, die wir Leben nennen, zu bewältigen und Stress zu reduzieren. Die Methode wurde auf andere besondere Stressbereiche ausgedehnt, nicht nur auf den normalen Stress, den wir unter Druck empfinden können. Ich halte dies für wertvoll, aber ich denke, dass die Folgerungen, die Iain McGilchrist in seinen Büchern zieht, ebenso wichtig sind, denn er weist darauf hin, dass wir die Fähigkeit haben, uns in einem breiteren Sinne auf die Welt zu beziehen, aber wir scheinen gegenwärtig unsere Perspektive zu verengen und das große Ganze zu verlieren.

Die Rezension des neuesten Buches auf Amazon ist vielleicht etwas, mit dem ich dieses Thema abschließen und das Buch allen Interessierten empfehlen kann.

„Ist die Welt im Wesentlichen träge und mechanisch – nichts als eine Ansammlung von Dingen, die wir benutzen können? Sind wir selbst nichts weiter als ein Spielball des Zufalls, verwickelt in einen Krieg aller gegen alle? Warum sind wir in der Tat damit beschäftigt, alles zu zerstören, was für uns wertvoll ist?

In seinem internationalen Bestseller Der Meister und sein Abgesandter wies McGilchrist nach, dass jede Gehirnhälfte uns eine radikal andere Sicht auf die Welt vermittelt, und nutzte diese Erkenntnis, um ein neues Verständnis der wichtigsten Wendepunkte in der Geschichte der westlichen Zivilisation zu vermitteln.

Zweimal zuvor, im antiken Griechenland und Rom, hatte die in der linken Hemisphäre entwickelte Wahrnehmung, die uns befähigte, die Welt zu manipulieren, letztlich die viel differenziertere Sichtweise der rechten Hemisphäre in den Schatten gestellt, die es uns ermöglichte, sie zu verstehen.

Dies hat jedes Mal den Zusammenbruch einer Zivilisation eingeläutet. Und nun geschah es zum dritten und möglicherweise letzten Mal.

In diesem bahnbrechenden neuen Buch geht Iain McGilchrist auf einige der ältesten und schwierigsten Fragen der Menschheit ein – Fragen, die jedoch für uns alle heute eine praktische Dringlichkeit haben.

Wer sind wir? Was ist die Welt?

Wie können wir Bewusstsein, Materie, Raum und Zeit verstehen?

Ist der Kosmos ohne Sinn und Wert?

Können wir das Heilige und Göttliche wirklich vernachlässigen?

Dabei vertritt er die Auffassung, dass wir einer von der linken Gehirnhälfte beherrschten Sicht der Dinge verfallen sind, die uns blind macht für die ehrfurchtgebietende Wirklichkeit, die uns überall umgibt, wenn wir nur Augen hätten, sie zu sehen.

Er schlägt vor, dass wir, um uns selbst und die Welt zu verstehen, Wissenschaft und Intuition, Vernunft und Vorstellungskraft brauchen, nicht nur eine oder zwei; dass sie auf jeden Fall weit davon entfernt sind, im Widerspruch zueinander zu stehen; und dass die rechte Gehirnhälfte bei beiden die wichtigste Rolle spielt.

Und er zeigt uns, wie wir die „Signatur“ der linken Hemisphäre in unserem Denken erkennen können, um Entscheidungen zu vermeiden, die eine Katastrophe nach sich ziehen. Er folgt den Pfaden der modernsten Neurologie, Philosophie und Physik und zeigt, wie sie uns alle zu einer ähnlichen Vision der Welt führen, einer Vision, die sowohl tiefgründig als auch schön ist – und die zufällig mit den tiefsten Traditionen menschlicher Weisheit übereinstimmt.

Es ist eine Vision, die die Welt wieder zum Leben erweckt und uns zu einem besseren Leben in ihr verhilft: eine Vision, die wir annehmen müssen, wenn wir überleben wollen.“

Iain McGilchrist’s books include The Matter With Things: Our Brains, Our Delusions and the Unmaking of the World (Perspectiva), The Master and his Emissary: The Divided Brain and the Making of the Western World (Yale UP), The Divided Brain and the Search for Meaning: Why Are We So Unhappy? (Yale UP), and Ways of Attending (Routledge).