Wir erleben viele Menschen heutzutage, die nicht mehr sich ausrechnen können, welche Konsequenzen bestimmtes Verhalten haben werden. Ich habe vor einige Wochen darübergeschrieben, dass der Begriff Freiheit heute anders verstanden wird als vor einige hundert Jahren, und dass die Garantien, die der Gesellschaft bietet, an Verpflichtungen gebunden sind. Es ist nicht anders, als wenn der Sohn die Schule verlässt und meint, dass er jetzt eine Pause haben muss von der Hetze des Schulalltags. Wir haben unser Sohn damals vorgehalten, dass er erwartet, dass seine Eltern für ihn arbeitet und er auf der faulen Haut legen kann, was ihn offensichtlich bis dahin nicht bewusst war. Er brauchte eine kurze Zeit, aber nach einer Weile, erkannte er seinen Fehler. Viele Menschen in unserer heutigen Zeit haben es noch nicht erfasst.
Jede Gruppe braucht das Verständnis, dass man zusammenhält, indem man zusammensteht, um die Herausforderungen der Zeit standzuhalten. Natürlich haben wir schutzbedürftige Menschen, die solche Verpflichtungen nicht nachkommen können, aber jeder soll das machen, was er kann. Es ist vor allem in Krisenzeiten von Bedeutung, dass die Werte einer Gesellschaft für alle klar sind, und jede Untergrabung diese Werte, ob von außen oder von innen, Einhalt geboten wird. Es ist anscheinend eine kniffelige Frage, wenn die Freiheit es selbst ist, die bedroht wird. Freiheiten, welche sowohl für Erwachsene als auch für Kinder als anerkannt gelten, sind allgemein bekannt als fundamentale Rechte, also Rechte, zu deren Genuss die Bevölkerung uneingeschränkt und ohne staatliche Einmischung berechtigt ist. Allerdings, die Notwendigkeit, die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit, die moralischen Werte und die Achtung der Rechte unserer Mitmenschen aufrechtzuerhalten, führt zwangsläufig zu einer gewissen Einschränkung der ordnungsgemäßen Ausübung dieser Rechte.
Diese Beschränkungen werden in der Welt unterschiedlich angewandt, wobei sie in Ländern, in denen eine kollektivistische Philosophie zu Hause ist, strenger umgesetzt werden. Diese Philosophie wird als ein System von Werten und Normen verstanden, in dem das Wohl des Kollektivs höchste Priorität hat und die Interessen des Einzelnen denen der im Kollektiv organisierten sozialen Gruppe untergeordnet werden. Diese Sichtweise geht mit einer Ablehnung der Ideen des Liberalismus einher und zeigt sich aktuell im Konflikt mit Russland um die ehemaligen Staaten der Sowjetunion, die heute Teil der EU sind, sowie der Ukraine, die dies anstrebt, und mit China um Länder wie Taiwan und die ehemalige Sonderverwaltungszone Hongkong, die heute Teil der Volksrepublik China ist. Zurzeit ist der bewaffnete Konflikt in der Ukraine von viele im Westen als eine Bedrohung der westliche Liberalismus, was vor Kurzem in Russland als „satanisch“ bezeichnet wurde.
Es steht außer Frage, dass es im Westen einiges gibt, dass man kritisch sehen kann. Ich selbst habe die Vorherrschaft der Wirtschaftsmacht als „Maschine“ bezeichnet, die sowohl die Umwelt als auch die Gesundheit der Menschen bedroht. Der Klimawandel ist nur eine von vielen Folgen, die dabei eine Rolle spielen, wenn es um die Zukunft geht. Eine Grundordnung darf aber nicht aufgegeben werden, wie manche Aktivisten fordern, denn der Sturz in die Anarchie oder den Faschismus würde letztlich zu Chaos und keiner Verbesserung führen, denn die Wirtschaft sorgt auch für unsere physiologischen Bedürfnisse, und unsere Freiheit bedeutet auch die Freisetzung von Ideen zur Lösung von Problemen. Deshalb ist eine grundsätzliche Klärung der Werte im Westen notwendig, und die schädlichen Entwicklungen, die so viel Unruhe verursachen, müssen beruhigt werden.
Die Gesellschaften im Westen wurden auf religiöse und humanistische Werte aufgebaut, die auch im Laufe der Jahrhunderte sowohl ihre gute als auch schlechte Seiten gezeigt haben. Oft wurden diese Werte verraten, teilweise durch diejenigen, die sie aufgestellt haben. Nicht wenige „Revolutionen“ sind zum Nachteil ihrer Anhänger geworden, und das Zitat „Die Revolution frisst ihre eigenen Kinder“ umschreibt eine solche Entwicklung, und ist dem französischen Revolutionär Pierre Vergniaud zugeordnet, der es bei seiner eigenen Hinrichtung am 31. Oktober 1793 gesagt haben soll. Alexander Solschenizyn beschrieb eindringlich, wie treue Kommunisten sich plötzlich als Konterrevolutionäre im Gulag befanden, weil sie Kritik geäußert haben, oder in dem Verdacht stand. Aber vor allem die Opfer der Kirche müssen bedacht werden, die bis heute immer noch aufgeklärt werden, und zu einer massenhaften Desillusionierung geführt hat, von der alle Kirchen betroffen wurden – vor allem in Europa. Es sind solche Entwicklungen, die dem Westen eine fehlende Geschlossenheit beschert, trotz aller Beteuerung der Politik.
Großbritannien und die USA, die bisherigen Bastionen der westlichen Freiheit, sind tief gespalten, und in vielen europäischen Ländern ist der Ruf nach Frieden, koste es, was es wolle, keine Seltenheit mehr. Die Proteste nehmen zu und Schwarz-Weiß-Denken macht sich breit – entweder „für oder gegen“, ohne differenziertes Denken. „Das Hemd ist mir näher als der Rock“ ist ein altes Sprichwort, das bedeutet, dass die eigenen Interessen wichtiger sind als die des anderen. Die Frage ist, ob es die Werte der Gesellschaft sind, die ich schützen will, oder meine Gewohnheiten – und ob diese Gewohnheiten dadurch geschützt sind, wenn ich mein Wille durchsetze. In Gesprächen mit anderen haben wir uns oft gefragt, ob manche Menschen überhaupt zu logischem Denken fähig sind, und vor allem, ob sie sich darüber im Klaren sind, wozu sie tun, was sie tun.
Deshalb denke ich, dass es eine grundlegende Frage ist: Welche Werte will ich schützen? Wofür lohnt es sich, zu arbeiten, sich gegen Bedrängung zu wehren und notfalls zu kämpfen? Es geht auch um die Frage, ob die Verantwortlichen in unserer Gesellschaft andere Werte als den Profit als schützenswert ansehen, denn es ist schon erwiesen, dass Profit nicht als höchstes Gut dient, und stattdessen Freiheit, Menschlichkeit oder Menschenrechte, aber auch abstrakt-individuelle Werte, wie zum Beispiel Gesundheit, Trinkwasser, Lebensqualität, Umwelt, Sicherheit, in der öffentliche Wertschätzung als „höchstes Gut“ gesehen bzw. bezeichnet werden. Es ist also von höchstem Priorität zu prüfen, wo sie gefährdet sind, und aktiv für ihre Erhaltung zu arbeiten.