Wie Schlau Wir Sind!

Im Artikel „So viel Sexismus steckt in Darwins Thesen“ von Eva Obermüller auf der Seite science.ORF.at haben wir ein weiteres Beispiel für die Verzerrung historischer Fakten, um die moderne Sichtweise als „die wahre“ darzustellen. Es kann überhaupt keine Frage sein, ob Darwin ein Kind seiner Zeit war, natürlich war er das, aber selbst Obermüller muss zugeben, dass er gegen die Sklaverei war, was nicht für ein bigottes Weltbild spricht. Darwin war vor allem ein Beobachter, und seine Skizzen und Notizen waren die Sammlung von Beobachtungen, nicht ein abschließendes Urteil über das, was er beobachtete. In manchem mag er sich getäuscht haben, aber ihm zu einem Rassist zu machen ist unverantwortlich.

https://science.orf.at/stories/3211096/

Misogynie, Frauenhass und Frauenfeindlichkeit sowie Sexismus werden heute oft als Synonyme verwendet. Aber um „frauenfeindlich“ zu sein, muss man Frauen hassen oder zumindest feindselig sein, was bei Darwin überhaupt nicht der Fall ist. Stattdessen beobachtete er die Rollen von Männern und Frauen in den Gesellschaften seiner Zeit und bestätigte den Eindruck, dass Frauen sich oft den Männern unterordneten. Das Patriarchat war offensichtlich vorherrschend. Typischer weise benutzen die von zitierte Quellen ebenfalls zweideutige Formulierungen: „In „Die Abstammung des Menschen“ schreibe er das mehr oder weniger wortwörtlich: „…hence man has ultimately become superior to woman.“ („daher ist der Mann der Frau letztlich überlegen geworden“).“ Es gibt keinen Kontext aus dem das „daher“ kommt, also warum er zum dem Schluss kommt ist im Artikel unklar geblieben.

Die als Klage zu verstehende Darstellung seiner „zimperlichen Beschreibung“ der geschlechtsspezifischen Selektion tut so, als ob Darwin in der Lage wäre, eingehende Studien über einzelne Tierarten zu konsultieren und deren sexuelle Anziehung psychologisch zu beschreiben. Stattdessen befindet er sich auf einer Reise, sogar im übertragenen Sinne, und steht am Anfang. Es bedurfte noch vieler Studien, um seine Thesen zu bestätigen oder zu widerlegen, und die Tatsache, dass er sich überhaupt von den bisherigen Vorstellungen seiner Zeit abgesetzt hat, ist ihm hoch anzurechnen. Natürlich weiß „man heute, dass sich die Vorlieben selbst bei vielen Tieren ändern können, mit den Umweltbedingungen, der Ernährung, den Hormonen oder dem Alter.“ Aber als Vorwurf an dem Mann, der 1871 das Werk veröffentlich hat, ist es viel zu billig.

Stattdessen hat man den Eindruck, dass sich hier einige Leute profilieren, die das nur können, indem sie jemanden diffamieren. Obermüller macht mit, indem sie die kritischen Thesen verdeutlicht und radikalisiert, mitsamt der Überschrift als Köder, um mehr Klicks zu bekommen. Es ist leider typisch für unsere Zeit, die darauf angewiesen zu sein scheint, die Schulter, auf der wir alle stehen, zu diskreditieren und uns selbst zu loben: „Wie schlau wir sind, und wie dumm die Leute damals waren!“ Nur, Darwin machte sich auf den Weg und bereiste die Welt, um sie zu verstehen, anstatt in einem bequemen Büro zu sitzen, über Büchern zu brüten und die Arbeit von verdienten Leuten zu kritisieren.

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